Autor: Torsten Wahl Berliner Zeitung vom 26.April 2001

Der Blick von draußen


Die ARD dreht gerade die neue Vorabendserie "Berlin, Berlin" - die Macher kommen von außerhalb
Die 200-Quadratmeter-Wohnung mit Blick auf Spree und Osthafen würde viele Interessenten finden, doch sie ist nur Kulisse. Die ARD dreht die Vorabendserie "Berlin, Berlin", die einen frischen Blick auf die Stadt werfen soll. "Das wird die erste ARD-Serie, die wirklich Berlin erzählt", erklärt Redakteurin Elke Hillebrand. "Wir wollen nicht das Touristische zeigen, sondern die Menschen." Es wird eine Perspektive von außen sein - kaum ein Beteiligter lebt in Berlin. Autor David Safier und Redakteurin Hillebrand arbeiten in Bremen, Regisseurin Franziska Meyer-Price wohnt wie Schauspielerin Sandra Borgmann in Köln, Hauptdarstellerin Felicitas Woll in Kassel.

Die Schöpfer der Serie verwenden den Begriff "Metropole" so selbstverständlich und oft, wie es in Berlin höchstens die Touristik-Promoter tun würden. Für Autor Safier ist Berlin vor allem "faszinierend und bedrohlich". Das passt zur Perspektive der Serie: Die Heldin, die 20-jährige Lolle, erlebt Berlin mit staunenden, oft irritierten Blicken. Sie flieht aus der holsteinischen Provinz, weil sie dort ihren Traumjob Comiczeichnerin nicht näher kommt und schlüpft in einer Kreuzberger WG bei ihrem Cousin und der Lesbe Rosalie unter.

Felicitas Woll fühlt sich der Rolle sehr nahe: "Selbst Kassel ist gegen Berlin ein Dorf." Sie staunt noch wie ihre Lolle über Typen auf der Straße, freut sich auf ihren ersten Sommer in Berlin, hat bisher nur Zeit für Café-Besuche gefunden. Inkognito kann sie Berlin nicht mehr entdecken, denn seit dem Erfolg der Teenie-Komödie "Mädchen, Mädchen" wird sie überall angesprochen.

Lolle wird die "taffe" Lesbe zur Seite gestellt, die das Landei in die Großstadt einführt. Die Kölnerin Sandra Borgmann, bekannt aus dem Aufsehen erregenden Skin-Film "Oi!Warning", hat sich Berlin-Feeling antrainiert. Mit einem Berliner Freund übte sie den Dialekt, sie beguckte sich die Plattenbauten Hohenschönhausen, wo ihre Rosalie herkommt und ließ sich von Kollegin Ulrike Folkerts in die Clubs der Lesben-Szene einführen.

Manche Episoden muten klischeehaft an. So nennt Elke Hillebrand als Beleg für das Multikulti-Berlin eine Szene, in der Lolle von einem jamaikanischen Taxifahrer und einem griechischen Wirt vor Skins gerettet wird. Stellvertretend für den typischen "doofen Berliner Muffelkopp" (Regisseurin Franziska Meyer-Price) steht eine Bäckersfrau mit viel Schnauze und wenig Herz, mit der Lolle aneinander gerät.

Trotz solcher Stereotypen dürfte "Berlin, Berlin" keine übliche glatte Vorabendserie werden. Denn allen Beteiligten ist eine besondere Begeisterung anzumerken. "Das ist die Serie, die ich immer schreiben wollte", erklärt Autor Safier. Ungewöhnlich sind stilistische Mittel, mit denen ein junges Publikum angesprochen werden soll. So werden Lolles Hintergedanken bildlich umgesetzt - mit Comic-Clips. Da sperrt sie in ihrer Fantasie mal ihre Mutter in einen Schrank und wirft ihn vor einen Zug, mal schrumpft sie vor Verlegenheit zum Baby mit Schnuller. Doch das Landei legt ihre Schüchternheit bald ab. Der Umgang mit den Berlinern führt zu ihrer neuen Devise: Lolle, dein Name sei Luder!

Die 13 Folgen von "Berlin, Berlin" werden noch bis Herbst gedreht und sollen im Sommer 2002 in der ARD laufen.

BERLINER ZEITUNG/MAX LAUTENSCHLÄGER

 

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