ZDF TV-Event "Dresden" Anmerkungen des Drehbuchautors Stefan Kolditz

Die Bombe demokratisiert das Sterben

Januar 2003. Ich entscheide mich, einen Film zu schreiben über einen Bombenangriff, der fast 60 Jahre zurückliegt, während in knapp zehn Wochen einer der verlogensten Kriege der Gegenwart beginnen wird, in dem nicht die Ereignisse die Bilder, sondern die Bilder die Ereignisse bestimmen werden.

Nicht mehr die Trefferquote, die Herrschaft über die Bilder entscheidet den Sieg. Was nicht gezeigt werden kann, existiert nicht. Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit, hat Kipling einmal geschrieben.

Vorschein des kalten Krieges

Februar 1945. Dresden. Ein anderer Luftangriff, der immer noch eine Wunde ist. Kein historischer Stoff aus einer weit entfernten, abgeschlossenen Zeit. Dresden ist eine der letzten großen Kriegskatastrophen, die nicht nach den Gesetzen der medialen Verwertung inszeniert wurden. Dresden ist nicht nur das Ende eines Krieges, es ist der Anfang eines anderen.

Heute säßen CNN-Reporter auf den Dächern um den Altmarkt mit Liveschaltungen in die ganze Welt. Brennende Kinder, erstickte Frauen - der Angriff würde so nicht mehr stattfinden in den Zeiten der Kollateralschäden. Die Lügen schon. Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit und das letzte. Bereits Goebbels instrumentalisierte den Angriff und schlug damit eine seiner letzten Propagandaschlachten. Danach gab es nur noch Opfer. Auf allen Seiten. Dresden ist der Vorschein des kalten Krieges.

Krieg als das, was er ist

Am Ende kehrte die Feuerwalze an ihren Ursprung zurück. Krieg als das, was er ist: nicht die Ästhetisierung brennender Panoramen, sondern das Leid brennender Körper. Der Mensch als Schöpfer und Opfer seiner eigenen Apokalypse. Die Bombe kennt keinen Unterschied. Sie demokratisiert das Sterben. Und doch bleibt der Mensch der Gegenentwurf zur Maschine.

Auf die Frage, was ein Freund sei, hat jemand einmal geantwortet: einer, der mich in einer Diktatur verstecken würde. Anna stellt sich im Film eine ähnliche Frage - die nach der Teilbarkeit der Menschlichkeit in einer Diktatur. Die Frage ist zeitlos. In "Dresden" muss jede Figur ihre eigene Antwort darauf finden. Und jeder Zuschauer.

von Stefan Kolditz